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Über eine Abschaffung von Bargeld wird in wiederkehrenden Abständen diskutiert. Auch der Deutsche Bundestag beschäftigte sich bereits mehrfach mit der Zukunft des Bargeldes. Zuletzt stand das Thema im Februar 2021 auf der Tagesordnung der Parlamentarier, nachdem gleich mehrere Anträge zur Stärkung der Rolle des Bargeldes vorgelegt wurden. Dies geschah vor dem Hintergrund der Einführung neuer europäischer Vorgaben zu Bekämpfung von Geldwäsche, die primär auf der Einführung von Schwellenwerten für Bargeldkäufe basieren. Kaufen Sie etwa Edelmetalle, Autos, Immobilien oder sonstige höherwertige Wirtschaftsgüter, so gelten für den Verkäufer bei Überschreiten der Bargeldannahmegrenze von 10.000 € besondere Sorgfalts- und Meldepflichten. Ganze Behördenapparate sind damit beschäftigt, Finanztransaktionen dahingehend zu untersuchen, ob diese zum Zwecke der Geldwäsche getätigt wurden. Bargeldgeschäfte werden in diesem Kontext immer wieder als Problem beschrieben, da die großen Stärken des Bargeldes – Anonymität und Unabhängigkeit von Banken – auch von Verbrechern als solche anerkannt werden. Tatsächlich ist das Thema jedoch zu komplex, um es auf diesen Aspekt zu reduzieren. Festhalten lässt sich jedenfalls, dass immer wieder und aus unterschiedlichen Motivlagen heraus über die Abschaffung von Bargeld diskutiert wird.

Voraussetzungen für die Abschaffung des Bargeldes

Wenn man sich eine bargeldlose Wirtschaft vorstellt, wird man zwangsläufig auch mit der Frage konfrontiert, welche Rahmenbedingungen hierfür gesetzt werden müssen. Welche Voraussetzungen müssen erfüllt werden, damit Bargeld tatsächlich verzichtbar wird?

Sicherlich wäre ein Heer an Juristen notwendig, um all die Gesetze und Verordnungen anzupassen, in denen Regelungen zum Umgang mit Bargeld enthalten sind. Immerhin ist Bargeld gesetzliches Zahlungsmittel und die Bürger können in den meisten Fällen darauf pochen, dass ihre Münzen und Scheine akzeptiert werden. Mach einer beschäftigt damit solchen Forderungen gar den Europäischen Gerichtshof. Dieser musste sich beispielsweise im Januar 2021 mit Frage auseinandersetzen, ob der deutsche Rundfunkbeitrag bar bezahlt werden darf.

Dies macht deutlich, dass eine zukünftige Welt ohne Bargeld wohl nicht ohne die Akzeptanz der gegenwärtigen Bargeldnutzer funktionieren wird. Das könnte durchaus schwierig werden. Immerhin hält die Bevölkerung sogar an Bargeldbeständen fest, die vom Handel gar nicht mehr akzeptiert werden. So schätzt die Bundesbank, dass sich im Jahr 2020 noch immer etwa 12,4 Mrd. D-Mark im Umlauf befanden. Wenn den Menschen jedoch durch geeignete Kommunikation die Sorge vor Kontrolle, Inflation, Negativzinsen, Verlust von Bankeinlagen und sozialer Härten genommen wird, bleibt noch die praktische Umsetzung im Alltag.
Angesicht der technischen Entwicklungen der letzten Jahrzehnte, der allgemeinen Verfügbarkeit von Giro-, Kredit-, Debit-Karten und Zahlungsdiensten für das Smartphone sowie deren breiter Anwendung im Alltag, erscheint kollektiver Bargeldverzicht bereits jetzt eine gangbare Option zu ein. Je nachdem, wie technikaffin und optimistisch Sie sind, sprechen Sie vielleicht auch von der längst überfälligen Überwindung eines Anachronismus.

Beispiel für eine „Cashless Society“

 

Bild zum Starten eines Youtube Videos - aus dem Artikel - Wie sich die Welt ohne Bargeld verändern könnte
Ohne Bargeld – Wie effektiv ist das schwedische Cash-Free-System? – Galileo – ProSieben – Youtube

So sehen das offensichtlich auch die schwedische Regierung und ein Großteil der schwedischen Bevölkerung. Immer dann, wenn das Thema Bargeldabschaffung diskutiert wird, wandert der Blick nach Norden. Denn in Schweden will man bis 2030 das Bargeld abgeschafft haben. Dieser Zeithorizont ist dabei durchaus realistisch, bedenkt man, dass bereits jetzt viele Händler kein Bargeld annehmen und stattdessen auf Karten- oder App-Zahlung verweisen. 95 Prozent des Umsatzes wird im Handel bargeldlos getätigt. Angesichts der hohen Kosten, die Bargeldzahlungen in Schweden verursachen, sind die Händler außerdem hochmotiviert, diese Quote noch weiter zu steigern. Dort wo in Deutschland heute noch in bar bezahlt wird, beispielsweise auf dem Markt, beim Bäcker oder Kiosk, werden in Schweden die Kronen weitgehend kontaktlos transferiert. Selbst auf Flohmärkten kann in aller Regel digital bezahlt werden. Die Kunden haben sich offensichtlich längst daran gewöhnt. Größere Proteste haben die Regierungspläne zur Abschaffung des Bargeldes jedenfalls nicht provoziert. Redliche Bürger können auf Bargeld verzichten. Anwendung findet es überwiegend bei illegalen Gütern und intimen, körpernahen Dienstleistungen. Die Gründe dafür liegen auf der Hand.

Bargeldlos ist nicht immer problemlos

Trotzdem gibt es auch warnende Stimmen, die darauf hinweisen, dass bargeldlose Zahlungen auch Nachteile mit sich bringen. Als problematisch wird die Preisgabe sensibler persönlicher Daten an Finanzunternehmen thematisiert. Der Umstand, dass diese ihren Sitz häufig in Drittstaaten haben, verstärkt die Bedenken rund um das Thema Datenschutz. Die schwedischen Banken bieten zwar auch eigene, selbstentwickelte Apps und Finanzdienstleistungen an, Rückgrat des Finanzsystems bilden jedoch weiterhin US-amerikanische Zahlungsdienstleister. Dazu gehören beispielsweise VISA, Mastercard, PayPal und Google. Die meisten Kritiker sind sich dabei bewusst, dass Finanzdienstleister selbst in bargeldaffinen Gesellschaften sehr viele Informationen über deren Kunden besitzen. Sie bezahlen Ihre Werkstattrechnung oder das neue Fahrrad vermutlich auch nicht bar, sondern mit Karte. Die Vorstellung einer Welt ohne Bargeld wird von manchen Menschen als unangenehm empfunden, weil bei ausschließlich bargeldloser Zahlung das individuelle Nutzerverhalten lückenlos und vollständig nachvollzogen werden könnte.

Kreditkarte - aus dem Artikel - Wie sich die Welt ohne Bargeld verändern könnte
Experten sehen in den nächs­ten Jah­ren noch keine „Welt ohne Bar­geld“ – Bundestag.de

Diese Vorstellung muss sicherlich im Zusammenhang mit der Angst vor Cyberkriminellen und Betrügern gesehen werden. In den Medien wird immer wieder von Fällen berichtet, in denen Kreditkartendaten und sogar ganze Identitäten gestohlen werden. Die Betroffenen merken häufig nicht rechtzeitig, dass etwas nicht stimmt, bis das Bankkonto leer oder der Schuldenberg groß ist. Auch hier könnten Sie einwenden, dass diese Fälle auch bei uns in Deutschland auftreten, wo bekanntlich der Bargeldanteil am Zahlungsverkehr recht hoch ist. Häufig werden Menschen zum Opfer von Betrug und organisierter Kriminalität, deren Kompetenzen im Umgang mit den heutigen Zahlungsmöglichkeiten eher schwach ausgeprägt sind, etwa weil sie in einer Zeit aufwuchsen, in der es all diese Optionen nicht gab und man stattdessen bar bezahlte. Eine Welt ohne Bargeld würde sicherlich vielen Menschen den Alltag verkomplizieren und sie in ihrer Selbstständigkeit einschränken. Der Umgang mit Bargeld ist vergleichsweise einfach und unkompliziert, sodass er auch Menschen mit altersbedingten oder gesundheitlichen Einschränkungen, aber auch Kinder, vor nicht allzu große Probleme stellt. Bargeld ist niederschwellig und inkludierend. So müssen Sie Ihrem an Demenz erkrankten Angehörigen nicht die Anwendung einer Bezahl-App beibringen oder mit ihm die PIN der Girocard einüben. Auch benötigt Ihr Kind kein Smartphone, um sich etwas von seinem Taschengeld zu kaufen.

Fazit

Eine Welt ohne Bargeld ist definitiv möglich. Das Beispiel Schweden zeigt, dass bei entsprechendem politischem Willen die Verwendung von Bargeld zuerst eingeschränkt und schließlich komplett abgeschafft werden kann. Erhebliche Negativfolgen für die Wirtschaft sind, wenn es sie denn gibt, nicht sehr offensichtlich. Die Abschaffung des Bargeldes wird eher mit Einspareffekten in Verbindung gebracht, etwa im Bereich der Banken, des Handels und auch der Finanzverwaltung. Tresore würden nicht mehr benötigt, ebenso Kassensysteme mit Bargeldannahme. Taxiunternehmen müssten keine aufwändigen Steuerprüfungen mehr fürchten und die Fahrer keine nächtlichen Überfälle auf die Tageseinnahmen. Drogendealern würde das dealen erschwert und der Mafia, die Geldwäsche.

Transaktionskosten gibt es aber natürlich auch bei Kartenzahlungen und App-Finanzdiensten, die schlussendlich ebenfalls auf die Kunden umgelegt werden müssen. Wie sich die Kosten im Vergleich zu Bargeld langfristig entwickeln, lässt sich dabei nicht zweifelsfrei vorhersagen. Bargeldlose Zahlsysteme müssen hohen Sicherheitsanforderungen entsprechen. Kriminalität, die auf Bargeld angewiesen ist, würde zwar sicher zurückgehen. Dafür könnten jedoch die Cyberkriminalität zunehmen, sodass immer mehr Aufwendungen notwendig würden, um die Sicherheit der Zahlungssysteme zu gewährleisten. Der Geldfälscher könnte also zum Bitcoin-Hacker umschulen und anstelle von speziellen Wasserzeichen, könnten digitale Echtheitszertifikate und Krypto-Tresore treten. Technischer und gesellschaftlicher Fortschritt hat nun mal die Eigenheit, dass bestehende Probleme gelöst werden, gleichzeitig aber auch neue Probleme entstehen.

Die bequeme Nutzbarkeit der Bezahlalternativen lässt zwar viele Menschen von einer Welt ohne Bargeld träumen. Es gibt jedoch auch Personengruppen, für die spezielle Lösungen entwickelt werden müssten, damit deren Lebensqualität und Selbstständigkeit nicht eingeschränkt würde. Hierzu zählen beispielsweise ältere Menschen, Kinder oder Menschen mit Behinderungen.